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Haus Horst auf einer Karte von 1768 (Archiv von Fürstenberg-Hugenpoet).

Haus Horst im Emscherbruch in Gelsenkirchen

Die Reste des Renaissanceschlosses Haus Horst liegen im Süden von Gelsenkirchen, unmittelbar an einer ehemaligen wichtigen Handelsroute von Recklinghausen nach Essen. Bei dem Bauwerk handelte es sich ehemals um eine Vierflügelanlage mit Ecktürmen und Vorburg, für die aber einige Vorgängeranlagen archäologisch nachgewiesen werden konnten.

Zu den Wohnbauten der Familie Horst, die spätestens seit dem 13. Jahrhundert hier nachweisbar ist, gehörte der ehemals eigenständige Ort „Freiheit Horst“, der heutige Gelsenkirchener Stadtteil Horst. Vor Ausbreitung der Stadt und Ausbau des Kohlebergbaus lagen Siedlung und Burganlage in unmittelbarer Nähe der Emscher und des Emscherbruchs, dem Auwald rings um das ehemals stark mäandernde Gewässer.

Nach Abbruch- und Umbauarbeiten ab dem 18. Jahrhundert aufgrund von Baufälligkeit und weiteren Veränderungen der Anlage in den folgenden Jahrhunderten sind heute noch der Eingangs- und Teile des Herrenhausflügels erhalten. Diese wurden von Rutger von (der) Horst im 16. Jahrhundert errichtet und sind zu den Meisterleistungen der niederländisch beeinflussten Baukunst auf deutschem Boden dieser Zeit zu zählen. Der komplette Grundriss des Bauwerks konnte erst durch archäologische Ausgrabungen zwischen 1990 und 2005 geklärt werden. Nach historisch-sensiblen Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen von 1994 bis 1999 wird die Anlage heute als Museum und Hochzeitslokation genutzt.

Nähere Informationen zur Anlage

Die Ursprünge von Haus Horst

Die erste nachweisbare Besiedlung von Haus Horst kann in das 11. bis 12. Jahrhundert datiert werden. Es handelt sich dabei um eine Hofstelle, bestehend aus einem Haupt- und zwei Nebengebäuden mitsamt umgebender Gartenanlage und Brunnen.

Das mehrphasige Haupthaus unterscheidet sich zu den sonst üblichen Gebäuden dieser Zeitstellung durch seine Errichtung in Ständerbauweise und seine Aufteilung in zwei Räume. Zudem fanden sich Hinweise auf einen Kachelofen und kostbares Importgeschirr. Besonders zu nennen sind Reste einer blauen Glasflasche mit opak-weißer Fadenauflage, die zu dieser Zeit als absolute Seltenheit in Europa angesprochen werden muss.

Sowohl die Bauweise, als auch die Funde weisen auf einen gewissen Stand der ehemaligen Bewohnenden hin. Dieser Reichtum rührt eventuell aus dem Handel mit den im Emscherbruch ehemals wild lebenden Pferden, die als Handelsgut sehr geschätzt waren. Es könnte sich um die Vorgänger der Familie von Horst gehandelt haben, da diese ebenfalls mit Pferdewirtschaft in Verbindung gebracht werden können.

Die Hofstelle "Haus Horst" (H.-W. Peine/C. Kneppe 2004).

Von der Hofstelle zur Burganlage

Zu Beginn des 13. Jahrhunderts wurde an der Stelle der ehemaligen Hofstelle nachweislich durch die Ritter von Horst-Steele eine hölzerne Burganlage errichtet.

Der befestigte Bau war zumindest zweiteilig. Es handelte sich um einen aufgeschütteten Burghügel mit Vor- und Hauptburg, der durch eine Holzpalisade mit Wehrgang und umgebenden Wassergraben, vermutlich ebenfalls mit Außenwall und Palisade geschützt, umgeben war. Die Vorburg mit zwei Holzgebäuden lag westlich der Hauptburg. Die Hauptburg war durch Palisade und turmartiges Torhaus von dieser abgeschirmt. Neben diesem Gebäude standen hier drei weitere Holzbauten, unter anderem das mehrgeschossige Hauptgebäude. In die Zeit dieser Anlage kann ebenfalls der Bau der Burgkapelle datiert werden, in der eine Bestattung nachgewiesen werden konnte. Bei dem Bestatteten handelt es sich vermutlich um den Bauherrn der Burg, Gerhard von Horst.

Als besonderes Fundstück kann neben einem erweiterten Spektrum einheimischer und importierter Keramik eine reich mit Philosophiedarstellungen gravierte spätromanische Handwaschschale aus Buntmetall angesprochen werden, die als Hinweis auf das höfische Zeremoniell und die Bildung der ehemaligen Burgbewohnenden herangezogen werden kann.

Die Anlage wurde im Zuge von Unruhen nach der Ermordung des Erzbischofs Engelbert von Köln im Jahre 1225 durch einen Brand zerstört.

Rekonstruktion der ältesten Burg (WMfA, H.-W. Peine/maßwerke GbR).

Neubau der Burganlage in Stein

Unmittelbar nach der Zerstörung des hölzernen Forts wurde Burg Horst als Steinbau erneut ausgeführt. Dazu wurde zunächst der Burghügel erhöht und der umgebende Graben verbreitert. Die ehemalige Holzpalisade wurde durch eine Mauer aus Stein mit Torhaus ersetzt. Als Innenbebauung diente zunächst ein etwa 11 mal 7,5 m großer, mehrstöckiger und multifunktionaler Wohnturm mit Abflusskanal in den Burggraben. Im Laufe des 15. Jahrhunderts wurde dieses Gebäude durch Backsteinanbauten zunächst deutlich vergrößert und mit einer Kloake versehen. Ebenfalls kamen ein weiterer zweigeschossiger Backsteinbau und ein Rundturm hinzu, genauso wie weitere Bauten im Torbereich, die teilweise auf Pfählen direkt in den Burggraben gegründet wurden. Über die Vorburg können leider keine Aussagen getroffen werden. Allerdings war die weiter zur Kirche ausgebaute Kapelle mit umgebendem Friedhof sicherlich Teil dieser Anlage.

Als Funde konnten neben Kochgeschirr aus Buntmetall auch verschiedenste Keramiken, Gläser und Zapfhähne geborgen werden. Waffenteile sprechen für die militärische Funktion der Anlage. Teile von Schreibgriffeln, ein Kerbholz und ein Siegel sprechen für Rechtsgeschäfte, die von den Burgherren durchgeführt wurden. Diese sind ab 1282 auch urkundlich nachweisbar. Netzsenker und eine Hundepfeife sprechen zudem für die durch die Bewohnenden ausgeführten Fischerei- und Jagdrechte.

Im Jahre 1554 wurde die Anlage durch einen Brand größtenteils zerstört.

Rekonstruktion der ersten Steinburg (WMfA, H.-W. Peine/maßwerke GbR).

Das Renaissanceschloss Haus Horst

Nach notdürftiger Instandsetzung der teilweise abgebrannten Burganlage beschloss der neue Besitzer Rutger von (der) Horst im Jahre 1555 den Bau einer repräsentativen Vierflügelanlage auf der ehemaligen Gräfte des Vorgängerbaus, der 1578 abgeschlossen wurde. Architekten waren hierbei Arndt Johannsen to Boecop und Laurentz Steynhower. Der Neubau besaß zwei mehrstöckig errichtete Flügel und zwei weniger massive, eingeschossige Baukörper, die durch vier Ecktürme miteinander verbunden waren. Das imposante Schloss besaß neben einer Küche ein ausgeklügeltes Ver- und Entsorgungssystem aus einer Zisterne, Brunnen und verschiedenen Schächten und Schütten. In die Umgestaltung der Vorburg wurde die mittlerweile eigenständige Pfarrkirche St. Hippolythus mit einbezogen. Die Verbindung von Haupt- und Vorburg wurde durch eine Pfeilerbrücke hergestellt, der Zugang erfolgte über ein an den Westturm angeschlossenes Tor.

Auf die gehobene Innenausstattung der Anlage weisen verschiedene Funde hin. Dazu zählen glasierte Ofenkacheln, gusseiserne Ofenplatten, Terrakottamedaillons und -friese mit Darstellungen römischer Feldherren aus der Kölner Werkstatt des Dyrych von Buir. Ebenso sind Ausstattungsgegenstände wie Silber- und Elfenbeinbestecke, geschnittene Steingefäße, Luxusgläser sowie importierte Keramik in höchster Qualität nachgewiesen. Zu letzterer ist ein Sturzbecher mit Männerdarstellung zu zählen, der eventuell den Bauherren Rutger von (der) Horst zeigt. Auf die humanistische Bildung des Schlossbesitzers weist unter anderem die erhaltene Ausstattung eines Alchemielabors hin.

Plan des Renaissancebaus (maßwerke GbR).

Literatur

H.-W. Peine/ C. Kneppe, Haus Horst im Emscherbruch, Stadt Gelsenkirchen. Frühe Burgen in Westfalen 21 (Münster 2004).

Weiterführende Literaturauswahl

H. Frin, Von der Horst im Broich, ein Adelsgeschlecht der Vestischen Ritterschaft – Genealogie. Vestische Zeitschrift 86/87, 1987/88, 55-222.

U. Haarlammert/H.-W. Peine, Horst im Emscherbruch – von der Hofstelle zum Schloss: Das Konzept für die virtuelle Rekonstruktion. In: Konferenzband EVA 2003 Berlin. Elektronische Bildverarbeitung & Kunst, Kultur, Historie (Berlin 2003) 151-155.

C. Kneppe, Auf beiden Seiten der Emscher - Adelssitze im Stadtgebiet von Gelsenkirchen. AiW 2011, 2012, 236-241.

A. Meseure/J. Jourdan/ B. Müller, Umbau und Erweiterung von Schloss Horst, Gelsenkirchen. Architektur Jahrbuch 2000, 2000, 86-93.

Stadt Gelsenkirchen (Hg.), Dokumentation Schloß Horst (Hagen 2002).